Sonntag, 9. April 2017

Die echte Ankunft

Und nach all diesen Orten, bist mein Lieblingsplatz auf dieser Welt noch immer Du.


Vor 184 Tagen begannen wir mit unserer Fahrt durch die Welt. Wir waren planlos und aufgeregt, unwissend und hoffnungsvoll. Immer wieder verliebten wir uns in die Orte, die vor uns lagen, in die Städte, die wir noch nie bereist hatten. Wir verliebten uns in all die Zeit, die sich genau wie der endlose Highway vor unseren Füßen ausbreitete und darauf wartete, von uns entdeckt zu werden. Unser Leben bestand aus Willkommen und Abschied, aus Ankunft und Abreise. Sobald wir einen Ort verlassen hatten, malten wir voller Erwartungen Bilder vom nächsten in die Luft, immer und immer wieder, 184 Tage lang. Und nun sitzen wir hier, in einer Wohnung im Norden Australiens und versuchen irgendwie zu begreifen, dass wir nach einer Fahrt, die nur aus Kommen und Gehen bestand, tatsächlich ankommen würden. Dass wir ankommen würden in einer Welt, die "normal" sein sollte, völlig "gewöhnlich"
. Dass wir eine Welt erreichen würden, in der alles still stand, in der wir nicht aufbrechen würden, nach einem Frühstück am Meer. Eine Welt, in der wir schlafen konnten, ohne panisch zu erwachen, in der Angst, dass ein Ranger an unserer Scheibe klopft. In einer Welt, die uns nicht Tag ein Tag aus den Atem rauben würde, während wir für tausende Kilometer die Autobahnen des Landes entlang fahren. Bald würden wir dort ankommen, wo wir uns nicht mehr auf einem winzigen Gaskocher im Wald Nudeln mit "Chunky Tomato"-Soße kochen würden, dort wo wir nicht mehr unter dem Strahlen der Milchstraße in den Schlaf sinken. In nur wenigen Stunden würden wir eine Welt verlassen, in der es nur uns gibt. Uns allein und die endlosen Highways. 

Vor einer langen Zeit hat uns die weite Welt gerufen und wir sind ihrem Ruf gefolgt. Wir haben Welten entdeckt und Ozeane durchquert, sind durch Wolken gefallen und mit Haien getaucht. Wir haben gesehen wie Menschen leben, ohne Strom und Dach, wie Menschen glücklich sind, ohne Kühlschrank und Telefon. Haben gesehen wie Dörfer keine Uhren brauchen, haben gemerkt, dass es Orte gibt, an denen nur das Jetzt zählt. Gemeinsam haben wir Zeiten durchlebt, in der wir allein in der Wüste standen, ohne Netz, ohne Menschen und auf der Suche nach dem Schlüssel unseres Vans. Sind verzweifelt und haben geschrien, haben uns zusammen gerauft und "zusammen schaffen wir alles" gesagt. Zusammen bestiegen wir Berge und durchquerten Flüsse, durchtauchten Riffe und lagen für Stunden unter dem leuchtenden, südlichen Nachthimmel. Wir lachten zusammen, wenn wir unser Auto im Großstaftdschungel verloren und verzweifelten, wenn die Tür unseres Vans krachend auf den harten Asphalt eines Parkplatzes fiel. Zusammen segelten wir auf Inseln, begegneten Menschen, lauschten Geschichten und überbrückten hunderte Kilometer auf der Straße. Immer weiter fuhren wir zusammen, durch Glück und Pech, durch Überwältigung und Angst. In 184 Tagen haben wir die schönsten Orte dieser Erde bereist, 4 Länder, hunderte Städte und noch viel mehr verlassene Orte, in denen wir tatsächlich nur "zusammen" waren. Und nun, nach all dieser Zeit, sollen wir ankommen. Sollen loslassen. Loslassen von einer Zeit, die uns jeden Abend mit einem Lächeln einschlafen ließ und einer noch größeren Freude erweckte, da die weite Welt auf uns wartete. Doch selbst wenn all der Abschied schmerzt und der Gedanke an eine "normale" Welt im Moment völlig utopisch scheint, blicken wir auch mit Freude auf unsere tatsächliche Ankunft. Denn reisen hat auch  bedeutet, von all denen getrennt zu sein, die uns wichtig sind. Auch wenn wir nun tatsächlich ankommen werden, wissen wir, dass uns ein Teil dieser Zeit jeden einzelnen Tag unseres weiteren Lebens begleiten wird. Jede Geschichte, jede Minute der Überwältigung, jede Sekunde der Verzweiflung, jeder Wegweiser auf unserer langen Reise. In wenigen Stunden wird die Zeit enden, die ohne Zweifel die schönste Zeit in unserem Leben war, doch wissen wir nun, dass wir, wenn uns die weite Welt erneut rufen wird, ihrem Ruf folgen werden. Um diesen atemberaubenden Planeten, auf dem wir leben, erneut erkunden zu können. Um für unzählige weitere Male sagen zu können:

We now walk into the wild.


One Last Time

Cairns. Wir sind zurück in Australien. Und wir tun es. Ein letztes Mal. Wir beladen unser Auto und fahren. Hunderte Kilometer. Wir erkunden das letzte Stück der australischen Ostküste, das es zu erkunden gibt. Dort, wo der tropische Regenwald auf das Great Barrier Reef trifft, verbringen wir unsere letzten beiden Tage. Durch kleine Dörfer, kleine Märkte und endlose Palmenhaine führt uns unser Weg entlang der nordaustralischen Küste. Wir fahren mit einem Boot durch einen Fluss im Regenwald, auf der Suche nach Krokodilen, auf der Suche nach allem, was uns ein letztes Mal an das erinnert, was uns für die letzten sechs Monate unseres Lebens begleitet hat. Es fühlt sich irreal an, ein letztes Mal in einem Auto zu sitzen, zu fahren, singen und reden, anzuhalten, auszusteigen, zu genießen und weiter zu fahren. Anstatt von Nudeln essen wir Falafel und Eis, abends Pizza und Salat. Anstatt von einem kleinen Auto schlafen wir in einer Wohnung, einem Baumhaus eines australischen Paares, das wir für die letzten fünf Tage unserer Reise gemietet haben. Wir haben einen Fernseher, den wir nicht benutzen, eine Dusche und eine Toilette. Alles fühlt sich gut an, doch anders. Überflüssig und doch luxuriös. Immer weiter scheint sich unser Leben auf das zuzubewegen, was uns in wenigen Tagen empfangen wird. Alles was sich nicht verändert hat, sind die Lieder unserer CDs, die drückende, tropische Hitze und wir. Noch immer sind wir zusammen, gehen jeden unserer Schritte zusammen, fahren jeden der 400 Kilometer zusammen, lachen zusammen, schlafen ein zusammen. Versuchen zusammen, jede unserer kleinen Gewohnheiten während unseres Lebens in der weiten Welt ein letztes Mal zu genießen.



Cairns

Palm Cove

Kuranda Markets



Mossman Gorge

Daintree Village, Crocodile Cruise




Cape Tribulation



Review #2

Wenn es überhaupt möglich ist, uns noch mehr zu begeistern als der Norden des Neuseelands, hat es der Süden geschafft. Tausende Kilometer fuhren wir durch die Einsamkeit, in der eine so unberührte und unbegreifliche Schönheit verborgen lag, wie wir sie selten erfahren haben. Unser Roadtrip durch Neuseeland war eine Zeit voller Abenteuer, neuen Erfahrungen und tiefer Bewunderung, die wir für immer in unserem Herzen tragen werden. Wir verlassen dieses Zauberland zwar wehmütig, doch vor allem dankbar.




Mount Cook, South Island

Montag, 3. April 2017

Review #1

Wir verlassen Neuseeland mit einem vollen Rucksack und einem noch volleren Herzen. Die letzten drei Wochen waren Silber für die Seele und Gold für unser Herz. In nur 24 Tagen haben wir eine gesamte Welt entdeckt, tausende Wunder erlebt und das ohne Zweifel zauberhafteste Land, das wir bisher sehen durften, erkundet. Wir haben unsere kurze Zeit auf der Nordinsel in einem noch kürzeren Video zusammen gefasst, das mehr sagt, als tausend Worte. Ein weiteres Video von der Südinsel wird bald folgen. Genießt den Einblick, in dieses fabelhafte Land:


Coromandel Peninsula, North Island

Gedanken zum Ende

Wir kommen an, an meinen Füßen hängt noch Erde.
Ich kam mit vollen Taschen, doch nun sind sie leer.
Verrat mir, wie ich wieder anders leben werde
Als in der Wildnis, auf den Straßen, dicht am Meer.
Ich atme schnell die tausend Berge nochmal ein,
Die so oft mir meinen letzten Atem nahmen.
Verrat mir, kann man jemals glücklicher denn sein?
Als wild und frei, so wie wir kommen, wie wir kamen.
Park unser Auto noch ein letztes Mal im Wald,
Dass uns die tausend Sterne heute Nacht beregnen.
Und unser Herz wird glühen, draußen ist es kalt,
Denn außer uns wird uns heut' niemand mehr begegnen.
Wir kommen an, an unsren Füßen hängt noch Erde
An unsren Herzen haftet eine ganze Welt.
Verrat mir, wie ich wieder anders leben werde
Du sagst, indem die Seele unsre Welt behält.


Hanmer Springs

Sonntag, 2. April 2017

Allein unter Hunderten

Kaikoura. Nachdem wir die Lüfte verlassen haben, beschließen wir ein wenig durch die Natur des kleinen Küstendorfes zu schlendern. Da Ebbe ist, können wir meilenweit über weiße, rutschige Felsen entlang wandern, dort, wo das Meer seinen Grund für eine gewisse Zeit verlassen hat. Während wir laufen, halten wir Ausschau nach Robben, die angeblich die weißen Felsen Kaikouras besiedeln. Als wir nach einer Stunde noch immer keiner Robbe begegnet sind und bereits dabei sind, den Rückweg einzuschlagen, erwachen urplötzlich all die dunklen Felsen an den Klippen zum Leben. Wie durch ein Wunder recken sich hundert Köpfe in die Höhe, die quietschende Schreie in die Luft entweichen lassen. Immer mehr Robben kriechen aus dem felsigen Untergrund hervor, während wir fassungslos auf dem leeren Areal aus Fels stehen und eine Kolonie von Tieren in ihren natürlichen Instinkten beobachten. Während die Wellen auf die Klippen schlagen und hunderte schwarze Augen leise auf uns ruhen, genießen wir, was die Natur geschaffen hat. Wir sind allein unter Hunderten.










Fremde Welten

Was wäre diese Erde ohne uns Menschen, die die einzigen sind, die sie bewundern können?

Kaikoura. Es sind die Wale, die uns in das kleine, vom Erdbeben zerstörte Dorf an der Ostküste Neuseelands locken. Zerfallene Brücken und gesperrte Straßen verwandeln unseren Weg in eine lange Fahrt, doch gibt uns unser Tag am Meer viel mehr zurück, als er die Zeit auf den Highways entlohnen könnte. Nach einer Nacht an einer Haltebucht am Ozean machen wir uns auf dem Weg zum Hafen, wo uns ein Boot auf hohe See bringen soll. Wie es das Schicksal so will, teilt uns eine alte Dame mit, dass unser Schiff den Hafen aufgrund eines mechanischen Problems nicht mehr verlassen würde. Unser anfängliches Pech erweist sich jedoch schnell als großes Glück, sodass wir uns bereits Minuten später auf einem Flugzeuglandeplatz am Meer befinden. Liam, der Pilot, weist uns kurz ein und schon bald sehen wir den schwarzen Strand unter unseren Füßen hinweggleiten. Immer weiter rücken die Berge in die Ferne, immer weiter verlassen wir unsere vertraute Welt in Richtung des unergründlichen Meeres. In unserem winzigen Flugzeug durchsegeln wir mit Liam die Lüfte, bis sich ein riesiger Koloss aus den Tiefen des Ozeans an die Wasseroberfläche begibt und uns seinen gigantischen Körper unter der leuchtenden Mittagssonne entgegenstreckt. Wir sind aufgeregt, sprachlos und überwältigt, als eine meterhohe Wasserfontäne aus seinem riesigen Körper in die Luft entweicht.
Immer wieder kreist unser kleines Flugzeug um dieses verwunderliche Geschöpf, das scheint, als spuckte es Regenbögen. Delfine springen neben dem Wal in die Höhe, Seelöwen gleiten durch die Wellen und gigantische Fischschwärme wechseln ihre Richtung. Wir wissen nicht, wohin wir unseren Blick als erstes wenden sollen, welchem dieser unzähligen Tiere wir mehr Bewunderung schenken können. Das Meer wimmelt vor Leben, zeigt uns seine Vielfalt in seiner ganzen Pracht, die dem Menschen sonst verborgen bleibt. Später sehen wir einen weiteren Wal, der seine Flosse in die Luft schlägt und dann in die unergründlichen Tiefe verschwindet, dorthin, woher er gekommen war.
Nachdem wir die Luft wieder verlassen haben, jedoch in unserem Kopf noch längst nicht auf den Boden der Tatsachen zurück gekehrt sind, wandern wir am Meer entlang... Mehr dazu im nächsten Post.








Eine Brise Frankreich

Akaroa. Eine kleine Stadt am Hafen, die uns mit französischen Flaggen, Brasserien und Häusern mit kleinen, verblümten Vorgärten empfängt. Alles scheint wie aus einem vergangen Jahrhundert, verschlafen und typisch französisch. In einer kleinen Bäckerei begrüßt man uns mit "Bonjour!", am Hafen spielen Männer Saxophon, statt Tauben durchsegeln Möwen die Lüfte. Alle Uhren scheinen Still zu stehen, die Stadt ist verzaubert. Unsere Nacht verbringen wir in einem winzigen Hostel über einer Bar, in der Jazz-Musik läuft. Lukas erholt sich von seiner Magenverstimmung, sodass wir am nächsten Morgen ins weit entfernte Kaikoura aufbrechen können. Adieu, belle ville!



Akaroa

Gore Bay, Cathedral Cliffs

Sonnenuntergang in Kaikoura

Samstag, 1. April 2017

2-Mann-Team

Das kalte, blaue Wasser des Lake Tekapo empfängt uns an unserem nächsten Ziel. Ein See, der von Gebirgen umrahmt wird und still in der roten, aufgehenden Sonne glänzt. Der schönste Zeitpunkt des Tages ist wie immer der Morgen, das Erwachen der Welt, das wir still und leise aus dem Kofferraum unseres Autos beobachten. Schwäne durchkreuzen das glühend rote Wasser, Enten quaken und watscheln erwartungsvoll zu unserem kleinen, himmelblauen Auto, das das Rot der leuchtenden Erde als einziges durchbricht. Die Stadt schläft. Geschäfte haben geschlossen. Die Straßen sind unbefahren. Der Morgen gehört nur uns allein und der Sonne, die die den Frost der kalten Nächte in ihrem roten Strahlen verbrennt. Wie immer liegen wir in unserem gemütlichen Bett aus tausend Kissen und tausend Decken in unserem kleinen Auto, das so klein ist, dass selbst die Ranger nicht mehr damit rechnen, das irgendjemand darin schlafen würde. Und so sind all unsere Nächte ruhig, ohne Klopfen von mürrischen Männern an der Scheibe. Nach einem wohltuenden Abend in einem heißen Thermalbad im Wald fahren wir zu einer alten, kleinen Kirche am See, vor der die Milchstraße am hellsten strahlt. Wir wünschen uns die immer gleichen Wünsche von den Sternschnuppen, genießen die Mystik dieses magischen Augenblicks, irgendwo im Schatten dieser kleinen Kirche, wo kein Asiate Fotos schießt. Und dann gehen wir schlafen. Bis wir erneut mit der Sonne erwachen. Losfahren. Erleben. Träumen.
Die nächsten Tage macht uns beiden in einem zweitägigen Abstand eine Magenverstimmung zu schaffen, von der wir bis heute nicht wissen, woher sie kam. Im Wechsel liegt einer von uns beiden eingegraben in den tausend Kissen und Decken auf der Rückbank unseres kleinen Gefährts, während der andere für hunderte Kilometer die Highways entlang fährt. Doch gemeinsam meistern wir alles. Sind ein 2-Mann-Team. Allein gegen die Welt.


Tekapo Hot Springs


Lake Tekapo


Wie viel Überwältigung kann ein Mensch ertragen?

Schlängelnd verliert sich der leere neuseeländische Highway in der Ferne, kilometerweit, bis er abrupt vor einem gigantischen, weißen Koloss endet. Mount Cook. Ein Berg, der alle Berge überragt und einsam und erhaben den Himmel zu berühren scheint. Ein Berg, dessen Schnee in der Sonne funkelt, dessen Abbild in einem strahlend blauen See vor unserer Fensterscheibe schlummert. Bereits die Fahrt raubt uns den Atem. Das Gelb der Hügel trifft auf ein helles Blau, während die Sonne rot in die Höhe wächst. Neuseeland steckt voller zehntausend Farben, voller zehntausend Eindrücke. 
Wir sind bereit für unsere nächste große Wanderung, bereit für die tausenden Treppenstufen, die uns in die Höhe bringen sollen, höher zu diesem einsamen, weißen Giganten, der so nah zu sein scheint und doch so unbezwingbar ist. Doch wir tun es immer wieder. Sind durstig nach der Schönheit dieses Landes, klettern immer höher, wandern immer weiter, wollen immer mehr sehen. Jeder Tag überschreitet den vorherigen, wir wissen nicht mehr, wo wir all die Eindrücke verstauen sollen. Unser Herz ist doch schon so voll...




Muellers Hut Track


Hooker Valley, Mount Cook
Lake Pukaki, Mount Cook