Freitag, 4. November 2016

Verborgene Talente

Da wir die defekte Seitentür unseres Vans nun seit beinahe drei Wochen unserer Reise nicht mehr geöffnet hatten, beschlossen wir die nächstgelegene Werkstatt anzusteuern und den Schaden nun endlich zu beheben. Dort angekommen, teilte man uns mit, dass man uns in einigen Stunden einen Kostenvoranschlag stellen würde, den wir schließlich annehmen oder ablehnen könnten. Clever wie der bärtige Australier war, hatte er, als wir nach einiger Zeit zurück in die Werkstatt kamen, unsere gute Conny bereits repariert und eine Rechnung im Wert von 230 Dollar ausgestellt. Fragend blickten wir uns und unser Portemonnaie an, denn schließlich hatten wir einer Reparatur überhaupt nicht eingewilligt. Da uns nach all den anfänglichen Startschwierigkeiten Connys weitere 230 Dollar schlicht und einfach zu übertrieben schienen, sollte es dazu kommen, dass wir in einer kleinen Werkstatt in einer Seitenstraße Adelaides unser bisher unentdecktes, schauspielerisches Talent offenbarten. 
Von einer auf die anderen Sekunde verfinsterten sich unsere Mienen, unser Gesicht wurde tief rot und unsere Hand lag verzweifelt auf der Stirn. Lukas blickte bedrückt auf den Boden und ich gestand unter zitternder Stimme, dass wir arme Backpacker seien, deren großer Traum vermutlich an dieser Reparatur scheitern würde. All unser Geld sei aufgebraucht und zu allem Überfluss hatten wir ja keiner Reparatur zugestimmt. 

Der Mechaniker blickte betreten auf den Boden und gestand in mitfühlendem Ton, dass der Preis nun feststehe und wir, wenn wir kein Geld hätten, unser Auto schlicht und einfach nicht wiederbekämen.

Auch wenn die Lage vorerst schlecht für uns stand, gaben wir so schnell nicht auf und logen bis sich die Balken bogen.
Wir tischten dem völlig überforderten Angestellten auf, dass wir in Adelaide keine Arbeit gefunden hätten, unser Budget nun endgültig im Keller sei und wir womöglich ins kalte Deutschland zurück fliegen müssten. Lukas begleitete das Spektakel mit einem betrübten Nicken sowie einem dauerhaften Kratzen am Kopf, welche die Überforderung des völlig verstörten Mitarbeiters womöglich ihren Höhepunkt erreichen ließen. Wortlos verließ er den Raum, woraufhin wir still und heimlich ein verschmitztes Grinsen austauschten. Wir hatten es geschafft, dem bärtigen Mitarbeiter ein so schlechtes Gewissen einzureden, dass er nun den Chef der Werkstatt zu uns schickte. Vor diesem fuhren wir die selbe Version unseres vermeintlichen Dilemmas erneut auf, während Lukas weiterhin nickte und sich an der Stirn kratze.

Als wir nun endlich alles getan hatten, um den überteuerten Preis der Reparatur zu senken, trat der Chef mit einem wehmütigem Nicken auf uns zu und verkündete, als befänden wir uns am Ende eines langen Filmes:  "Go and live your dream."
(Dt. für Opa Rudi: "Geht und lebt euren Traum.")

Daraufhin steuerten wir, während es uns schwer fiel, unser Grinsen zu unterdrücken, auf unser Auto zu und verließen die Werkstatt, ohne auch nur einen Cent gezahlt zu haben.

Ein Teil des Erlöses unseres großen Schauspiels investierten wir in eine große Packung Schokokekse, die wir mit nun endlich wieder offener Seitentür in Conny verspeisten. Ja, wir leben den Traum.



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