"All that is gold does not glitter,
Not all those who wander are lost;
The old that is strong does not wither,
Deep roots are not reached by the frost."
Tolkien
5 Uhr. Die Welt schläft und der Frost hängt in den Scheiben unseres kleinen, neuen Zuhauses. Kaffee und Klimaanlage erwärmen uns in der Dunkelheit, während wir uns auf den Weg machen, zu den neunzehnkommavier Kilometern, die noch im Schein der Sterne vor uns schlummern. Und dann beginnen wir mit dem ersten Schritt. Dem ersten von tausenden. Von einem derer, von denen wir nach einigen Stunden hoffen würden, dass er der letzte wäre. Der letzte der neunzehnkommavier Kilometer.
Weiße Blumen blühen in den kalten Wiesen, während gigantische Berge in der Ferne aus dem Boden ragen. Berge, die wir während unserer eintägigen Alpenüberquerung überschreiten würden. Die unseren Atem rauben würden. Uns schreien lassen würden und weinen von ihrer Schönheit.
Wir beginnen mit dem ersten Schritt.
Die ersten drei Kilometer sind einfach. Wir laufen entlang des kleinen Pfades, überholen und werden überholt von den vielen Wandernden, die unter der aufgehenden Sonne davon schreiten und sich in der Ferne wie kleine schwarze Punkte auflösen.
6,4 Kilometer. Unsere Beine machen sich bemerkbar; erinnern uns an die Stufen und Steine die sie zu überqueren hatten. Ein gigantischer Berg türmt sich vor unseren Augen auf. Wir sind klein und machtlos im Schatten dieses schwarzen Kolosses, vor dessen Spitze Geröll in die nur zu erahnende Tiefe hinabdonnert. In die Tiefe, in der wir uns zu diesem Augenblick noch befinden. Wir sehen keine Wanderwege, die zur Spitze dieses scheinbar unbezwingbaren Berges führen könnten. Nur ein Schild mit 2291 Metern. Wir blicken unsicher auf diesen einsamen Berg, der alle anderen in seiner Höhe übertrumpft. Einen Berg, der nach Tolkiens "Herr der Ringe" den Berg des Schicksals markiert. Einen Berg, der alles entscheidet. Der uns unserem Schicksal ins Auge blicken lässt. Der uns an unsere physischen und psychischen Grenzen bringen soll. Einen Berg, den wir bezwingen.
Wir beginnen mit dem ersten Schritt.
Über Felsen und braune Asche führen uns unsere Schritte. "Pause!", schreie ich und kralle mich an den ersten Felsen. Noch immer befindet sich der wahre Fuß des Berges in weiter Ferne, doch es geht steil bergauf und die Beine schmerzen. Wir klettern weiter. Pause. Schleppend bewegen wir uns auf den Berg zu, auf den Vulkan, auf das Monstrum, auf das Unbezwingbare. Der feste Untergrund ist bald pure Asche. Wir klettern drei Schritte nach vorne und fallen zwei zurück. Ich denke an den Moment, an dem ich an der Spitze stehen würde, an den Moment an dem ich schreien würde und meine Schreie in der weiten Tiefe widerhallen würden. Doch wir sind am Anfang.
Wir krallen uns fest an Felsen, die lose sind, rutschen ab und versuchen es erneut. Minuten verstreichen und die Spitze ist ferner denn je. Ferner, als wir es zu diesem Moment imstande sind zu klettern. Über uns sind Menschen, die das selbe versuchen wie wir. Menschen, die pausieren. Menschen, die fluchen. "ROCK!", hören wir jemanden aus der weiten Ferne schreien. "LUKAS!", schreie ich und wir sehen beide den gigantischen Felsen in die Tiefe donnern. Meter entfernt von dem Punkt, an dem wir am Berg klammern. Wir atmen aus. Erleichterung. Und weiter. Während weiterhin Geröll in die Tiefe stützt, das Wort "ROCK!" in der Ferne widerhallt und all die Augen die donnernden Vulkanbrocken verfolgen, pausieren wir, fluchen wir, schreien wir. Doch wir geben nicht auf, denn wir haben begonnen. Wir wollen ihn unbedingt. Den Gipfel. Den Ruhm. Den Blick.
Für eine lange Zeit setzt sich das Spektakel fort. Pausieren, "ROCK", Atemlosigkeit, Angst und Verzweiflung. Wenn wir denken, den Gipfel bald zu erreichen, erreichen wir ein weiteres Felsplateau, von dem wir den wahren Gipfel, den fernen Gipfel sehen.
Mit dem Überschreiten des Tongariro Alpine Crossing überschreiten wir nicht nur Berge. Wir überschreiten unsere Grenzen. Die Angst vor dem Wort "ROCK", vor dem Fallen, vor dem Nichterreichen des Gipfels.
Mit dem Überschreiten des Tongariro Alpine Crossing überschreiten wir nicht nur Berge. Wir überschreiten unsere Grenzen. Die Angst vor dem Wort "ROCK", vor dem Fallen, vor dem Nichterreichen des Gipfels.
Doch wir erreichen ihn. Ich sehe Lukas neben mir in die Tiefe sacken, ohne auch nur einen Blick vom Gipfel gewagt zu haben. Und dann drehe ich mich um.
Tränen erfüllen meine Augen mit dem Blick in die unwirklich erscheinende Tiefe und die unbegreifliche Ferne. Berge. Schnee.
Ich fühle mich klein und unbedeutend in diesem gigantischen Gebirge und doch so groß und erfüllt, da ich von oben und nicht von unten, auf es hinab blicke. Wir haben den Schicksalsberg bezwungen. Haben uns bezwungen.
Tränen erfüllen meine Augen mit dem Blick in die unwirklich erscheinende Tiefe und die unbegreifliche Ferne. Berge. Schnee.
Ich fühle mich klein und unbedeutend in diesem gigantischen Gebirge und doch so groß und erfüllt, da ich von oben und nicht von unten, auf es hinab blicke. Wir haben den Schicksalsberg bezwungen. Haben uns bezwungen.
Der Weg zurück in die Tiefe geht schnell. Wir springen und rutschen durch die schwarze Asche. Immer wieder hören wir "ROCK!", erschaudern, fallen, drehen uns um und pausieren. Doch wir erreichen den Boden. Unsere Beine zittern und unsere Kräfte sind aufgebraucht. Und dann sehen wir das nächste Schild: Noch 13 Kilometer.
Wir schleppen uns Berge hoch und hinab, vorbei an heißen, leuchtenden Seen, vorbei an einem alten Mann in Gandalf-Kostüm und vorbei am Schicksalsberg. Unwirklich türmt er sich erneut vor unseren Augen auf und es erscheint irreal, dass wir vor wenigen Minuten auf dem Gipfel dieses so unbezwingbar erscheinenden Kolosses standen. Das Bewusstsein darüber, was hinter uns liegt, gibt uns Kraft für die nächsten 13 Kilometer. Auf und ab. Immer weiter. Wenn wir denken, endlich weiter voran gekommen zu sein, sehen wir das Schild: 12 Kilometer.
Wir schleppen uns Berge hoch und hinab, vorbei an heißen, leuchtenden Seen, vorbei an einem alten Mann in Gandalf-Kostüm und vorbei am Schicksalsberg. Unwirklich türmt er sich erneut vor unseren Augen auf und es erscheint irreal, dass wir vor wenigen Minuten auf dem Gipfel dieses so unbezwingbar erscheinenden Kolosses standen. Das Bewusstsein darüber, was hinter uns liegt, gibt uns Kraft für die nächsten 13 Kilometer. Auf und ab. Immer weiter. Wenn wir denken, endlich weiter voran gekommen zu sein, sehen wir das Schild: 12 Kilometer.
Unter den Schmerzen unserer Beine treiben wir uns voran, drehen uns nur manchmal um, um einen letzten Blick auf den Vulkan zu werfen.
Wieder und wieder schwitzen wir, pausieren wir, fluchen wir, hoffen wir auf ein Ende und genießen die unbegreifliche, alles überwältigende Schönheit des Tongariro Alpine Crossing.
Und irgendwann, in weiter Ferne, kommt das, an was ich immer und immer wieder während dieses langen Weges gedacht habe: Der letzte Schritt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen